2018-08-07
»Es ist doch unglaublich, dass der deutsche Staat noch nie so viel für seine Bürger ausgegeben hat, und trotzdem im Volk das Gefühl stärker wird, dass es im Land ungerecht zugeht und dass die Bedürftigen nicht angemessen unterstützt werden!«
»…alles zusammengerechnet erreichten die Sozialausgaben im vergangenen Jahr, für das nun die inoffizielle Rechnung vorliegt, den Rekordwert von 965,5 Milliarden Euro, fast eine Billion.«
Die Sozialausgaben steigen - ein gefährlicher Trend
Marc Beise tut so, als würde das alles aus Steuergelder finanziert („dass der deutsche Staat…“) und leitet hierfür raffiniert in seinem Header mit dem Hinweis auf Hartz IV., Bafög, Kindergeld ein, also mit jenen Hilfen, die tatsächlich steuerfinanziert sind.
Aber es geht auch um den ungleich größeren Teil, nämlich die Ausgaben für Rente, Kranken- und Pflegeversicherung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Arbeitslosenversicherung, und die sind eben ganz überwiegend durch Privathaushalte und Unternehmen finanziert und nicht durch Staatsknete.
Den Betrag von 965,5 Milliarden Euro, also fast einer Billion skandalisiert er: »Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen.«
Der Autor erklärt uns: »Vor einer guten Generation, im Jahr 1970, betrug das Sozialbudget noch umgerechnet 84 Milliarden Euro, 1980 waren es bereits 223 Milliarden, dann 400 Milliarden, und immer weiter.«
Bei Wikipedia können wir nachlesen: »In der Bundesrepublik Deutschland lag die Sozialleistungsquote 1950 bei 19 %. Während noch im Jahre 1960 lediglich 18,3 % des BIP auf Sozialleistungen entfielen, beliefen sich 1975 die Sozialleistungen bereits auf 30,7 % des BIP und hatten damit für lange Zeit ihren Höchststand erreicht. Im Wendejahr 1990 lagen sie – wegen der enormen Steigerung des BIP um 9,1 % - mit 24,1 % nur leicht über dem Niveau der 1970er Jahre, um dann kontinuierlich anzusteigen. 1997 lagen sie wieder bei 29,1 %, um 2003 auf den absoluten Höchststand von 30,8 % zu klettern. Dieser Höchststand erklärt sich jedoch nicht durch steigende Sozialausgaben, sondern dadurch, dass die Bezugsgröße - also das BIP- in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise stark zurückgegangen ist.«
Ich nehme an, Marc Beise betreibt Lobbyarbeit für die armen Unternehmen. Ich habe ihm daher eine Protest-Email geschrieben.
From: j.beineke@t-online.de
Sent: Monday, August 6, 2018 8:27 PM
To: marc.beise@sueddeutsche.de
Subject: Ihr Kommentar auf sueddeutsche.de vom 5. August 2018, 11:05 Uhr
Hartz IV. Bafög, Kindergeld
Die Sozialausgaben steigen - ein gefährlicher Trend
Sehr geehrter Dr. Marc Beise,
wir haben verstanden: Der Michel ist zu teuer! Darum geht es doch – oder nicht?
Ihre Headline, den Blickfänger, »Hartz IV., Bafög, Kindergeld« ergänzen Sie nachfolgend um die Bereiche Rente, Kranken- und Pflegeversicherung und kommen auf einen unvorstellbaren Finanzierungsbetrag »von 965,5 Milliarden Euro, fast eine Billion«.
Man stelle sich nur mal vor: »Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen.« Eine gefährliche Superlative, so die Suggestion!
Was Sie nicht dabei sagen, ist, dass in diesem suggerierten Horrorbetrag ganz viel privates Geld steckt: Während für die Finanzierung von »Hartz IV., Bafög, Kindergeld« öffentliche Gelder verwendet werden, kommen bei der Finanzierung von Rente, Kranken- und Pflegeversicherung ganz überwiegend private Gelder zum Einsatz. – Und da stelle ich Ihnen die Frage, was dagegen eigentlich einzuwenden ist. Sofern hierfür auch Arbeitgeber in Anspruch genommen werden, geschieht das im Rahmen von Tarifverträgen oder bestehenden Gesetzen aus Firmengeldern.
Die größten Summen entfielen demnach auf die Rentenversicherung (304,1 Milliarden), die Krankenversicherung (228,6 Milliarden), die Beamtenpensionen (57,7 Milliarden), die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (52,1 Milliarden) und die Grundsicherung für Arbeitssuchende (45 Milliarden). Die gesetzliche Pflegeversicherung mit 37 Milliarden Euro und die Arbeitslosenversicherung mit 26,7 Milliarden Euro.
Und die Arbeitgeber verdienen sich, nach allem, was uns die Medien doch dauernd einflüstern, seit Jahren dull und dämlich.
Sehr geehrter Dr. Marc Beise, was Sie hier betreiben, ist Stimmungsmache gegen den Sozialstaat, besser gegen die Sozialstaats-Anteile dieser BRD, denn auch Ihnen dürfte nicht entgangen sein: Die Bürgerinnen und Bürger müssen billiger werden – das Geld ist für die Reichen da! – Das Volk dazu, dass man sich seiner bedient!
Also, ich verstehe Ihren Text eher als Reklameschrift für Arbeitgeber, die sich vor ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitnehmern drücken wollen.
Darf ich Sie in diesem Zusammenhang an die politisch gewollten, einseitigen Steuergeschenke für Arbeitgeber, Industrie und Finanzwirtschaft durch Steuergesetzesänderungen für die Zeit zwischen 1998 und 2013 in Höhe von ca. 490 Milliarden Euro erinnern. (Bontrup: Durch Umverteilung von unten nach oben in die Krise, Seiten 15 – 16.)
…
Ich finde eine andere Information vom 15.02.2018 viel provokanter: Gesundheitsausgaben pro Tag überschreiten Milliardengrenze.
Die Gesundheitsdienstleister der Bundesrepublik Deutschland verteilten 2017 374,2 Milliarden Euro unter sich. Sie tuen das Jahr für Jahr mit kontinuierlichen Steigerungen. Die Ausgaben für den Bundeshaushalt demgegenüber lagen 2017 bei 325,4 Mrd. Euro.
»Die Gesundheitsausgaben in Deutschland haben im Jahr 2017 erstmals die Marke von 1 Milliarde Euro pro Tag überschritten. Für 2017 prognostiziert das Statistische Bundesamt (Destatis) einen Anstieg der Gesundheitsausgaben gegenüber 2016 um 4,9 % auf 374,2 Milliarden Euro. Von 2015 zu 2016 hatten sie sich um 3,8 % auf 356,5 Milliarden Euro oder 4 330 Euro je Einwohner erhöht. Dies entsprach einem Anteil von 11,3 % am Bruttoinlandsprodukt. Die höhere Wachstumsrate für 2017 ist auf das dritte Pflegestärkungsgesetz zurückzuführen, das am 1. Januar 2017 in Kraft trat.«
»Die Gesundheitsausgaben werden in Deutschland primär von Staat, Privathaushalten und Unternehmen finanziert. Die größten Finanzierungsquellen waren 2016 die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer mit 112,4 Milliarden Euro, die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber mit 81,6 Milliarden Euro sowie staatliche Transfers in Höhe von 51,8 Milliarden Euro.«
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Und wie schreiben Sie so schönklingend: »Ausgabenblock für Ausgabenblock müssten die Sozialausgaben auf Ratio und Wirkung untersucht werden: Helfen sie wirklich, und wem? Wo erzeugen sie nur Mitnahmeeffekte für die, die das Geld gar nicht brauchen?« Ihre Zielrichtung in diesem Zusammenhang sind die Aussortierten: »Wo behindern sie den Anreiz, sich neue Arbeit suchen zu müssen, auch wenn das mühsam ist?«
Kümmern Sie sich doch bitte mal um die Privilegierten, z. B. die Ärzteschaft, die Apotheken, die Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller, die am Sozialstaat jährlich mehr verdienen, als mithilfe eines Bundestagshaushaltes umverteilt wird.
Aber ja, Ihre Solidarität gilt natürlich Ihresgleichen, und die hat mit dem Michel nicht viel am Hut.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Beineke
P.S.: Ich erlaube mir, diese Post an Sie in öffentlichen Politikforen und auf meiner persönlichen Homepage zu verwenden. Hierfür habe ich extra eine eigene Seite eingerichtet.
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Jürgen Beineke
44577 Castrop-Rauxel
Jürgen Beineke Homepage
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Admin - 13:39:49 @