2019-02-28

Gordon Repinski: »Welch eine Chuzpe«: »SPD setzt auf Prinzip statt auf Bedarf«

Kampagnenjournalismus:‭ ‬Die SPD,‭ ‬so behauptet Andrea Nahles,‭ ‬wolle neuerdings eine Grundrente gegen Altersarmut,‭ „‬die‭ [‬zudem,‭ ‬eigene Anm.‭] ‬ihrem Namen gerecht wird‭«‬:‭ ‬»Es geht nicht um Bedürftigkeit,‭ ‬es geht um Respekt und Anerkennung von Lebensleistungen.‭«

Welche Chuzpe,‭ ‬meint Gordon Repinski.‭ ‬Er ist stellvertretender Chefredakteur des RedaktionsNetzwerks Deutschland‭ (‬RND‭)‬.

          »‬Dabei ist im Koalitionsvertrag klar definiert,‭ ‬wie die Grundrente gestaltet werden soll:‭ ‬nach Bedürftigkeit.‭ ‬Nach‭ ‬35‭ ‬Beitragsjahren soll ein Rentner im Alter mehr als die Grundsicherung erhalten,‭ ‬wenn er diesen Zuschlag benötigt.‭ ‬Es steht so eindeutig im Koalitionsvertrag,‭ ‬dass man gelegentlich staunt,‭ ‬mit welcher Chuzpe die SPD-Spitze für eine weitergehende Lösung ohne Bedürftigkeitsprüfung kämpft.‭«

Seine exotische Begründung:‭

          »Es ist auch deshalb unverständlich,‭ ‬weil die SPD sich für die Falschen einsetzt.‭ ‬Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung würde jenen zugutekommen,‭ ‬die ein geringes Einkommen hatten,‭ ‬sich aber auf eine hohe Erbschaft oder zusätzliche Einkünfte durch wohlhabende Partner einstellen dürfen.‭ ‬Die Leistungen,‭ ‬die sie nach SPD-Plänen erhalten sollen,‭ ‬zahlt dann die Gemeinschaft.‭«

[Bei diesem Beitrag handelt es sich um mein Blog bei der Freitag-Community]

Hier der Wortlaut meines Protestbriefes an ihn:

Ausgabe‭ ‘‬MZ Ahaus‭’‬,‭ ‬28.02.2019,‭ ‬Seite‭ ‬2
Streit um die Grundrente | SPD setzt auf Prinzip statt auf Bedarf
 
 
‭          »‬Es ist ein krudes Verständnis des Sozialstaats.‭ ‬Es geht nicht mehr um Bedarf,‭ ‬sondern ums Prinzip.‭«
 
Sehr geehrter Gordon Repinski,
 
der‭ „‬Pawlowsche Hund lässt grüßen‭“‬.‭ ‬Rente,‭ ‬Grundrente zumal:‭ ‬Das Reiz-/Reaktionsschema des bedingten Reflexes im Sinne einer klassischen Konditionierung.‭ ‬Das ist es,‭ ‬was bei Ihnen abläuft.
 
Rente,‭ ‬Grundrente zumal:‭ ‬Die Begriffe sind für Sie offensichtlich eine Herausforderung,‭ ‬auf die Sie nahezu zwanghaft mit Zurückweisung berechtigter Forderungen für die Bürgerinnen und Bürger reagieren.‭ – ‬Denen wollen Sie ständig die Pfennige vorrechnen.
 
Listig bringen Sie hierfür eine Extremvariante ins Spiel,‭ ‬bemühen eine exotische Argumentation:
 
          »‬Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung würde jenen zugutekommen,‭ ‬die ein geringes Einkommen hatten,‭ ‬sich aber auf eine hohe Erbschaft oder zusätzliche Einkünfte durch wohlhabende Partner einstellen dürfen.‭ ‬Die Leistungen,‭ ‬die sie nach SPD-Plänen erhalten sollen,‭ ‬zahlt dann die Gemeinschaft.‭«
 
Eine Argumentation,‭ ‬die Ihre fanatische Gesinnung entlarvt‭! ‬Eine Argumentation der Chuzpe,‭ ‬um auf Ihrer Argumentationslinie zu bleiben.‭

Was ist dagegen zu sagen,‭ ‬Individuen nach deren‭ ‬35-jährigem Arbeitsleben mit einem anständigen Renteneinkommen zu versehen‭ – ‬und zwar unabhängig vom Familienstand und sonstigem Vermögen.‭ ‬Das Prinzip ergibt sich aus einer entsprechenden individuellen Leistung innerhalb des Arbeitsprozesses:‭ „‬Leistungsgerechtigkeit heißt für uns,‭ ‬dass jemand nach‭ ‬35‭ ‬Jahren Arbeit eine Grundrente verdient hat‭“‬,‭ ‬so Andrea Nahles.‭ ‬Was das mit dem Familienstand oder einer Erbschaft zu tun hat,‭ ‬erschließt sich mir nicht.
 
Lieber Gordon Repinski,‭ ‬bitte bedienen Sie sich für Ihre Argumentation des sogenannten Normalfalles und keiner exotischen Situation.
 
Was ist denn mit den politisch gewollten,‭ ‬einseitigen Steuergeschenken für Arbeitgeber,‭ ‬Industrie und Finanzwirtschaft durch Steuergesetzesänderungen in der Zeit zwischen‭ ‬1998‭ ‬und‭ ‬2013‭ ‬in Höhe von ca.‭ ‬490‭ ‬Milliarden Euro‭? ‬Mussten die nicht auch durch‭ ‬„die Gemeinschaft‭“‬ – wie Sie es nennen‭ – ‬aufgebracht werden‭? ‬Das eingesparte Geld in Höhe von‭ ‬490‭ ‬Milliarden Euro war ein Geschenk an Arbeitgeber,‭ ‬Industrie und Finanzwirtschaft.
 
Und‭ – ‬anders,‭ ‬als Sie suggerieren‭ – ‬war hieran das gesamte‭ „‬Parteienkartell aus CDU/CSU,‭ ‬SPD,‭ ‬FDP und GRÜNE‭“ ‬beteiligt.‭ ‬Die politische Verantwortung hierfür lag von‭ ‬1998‭ ‬bis‭ ‬2005‭ ‬bei Rot-Grün,‭ ‬bei Schwarz-Rot von‭ ‬2005‭ ‬bis‭ ‬2009‭ ‬und bei Schwarz-Gelb von‭ ‬2009‭ ‬bis‭ ‬2013.
 
Sie selber liefern doch das Argument,‭ ‬das diese Steuergeschenke in Wirklichkeit geißelt:‭ ‬»Noch heute sind Schulen marode,‭ ‬Straßen kaputt,‭ ‬viele Kommunen klamm.‭ ‬Es gibt noch immer vieles,‭ ‬für das es sich zu kämpfen lohnt.‭ ‬Es gibt noch immer Bedürftigkeit überall.‭«
 
Sie sagen es selbst:‭ ‬„Bedürftigkeit überall‭“!‬
Richtig‭ – ‬auch und gerade bei der Rente.‭ ‬In der Zwischenzeit ist das Thema Altersarmut durch unzulängliche Renten Dauerthema.‭
 
Vor‭ ‬15‭ ‬Jahren musste das bewährte,‭ ‬umlagefinanzierte soziale Sicherungssystem der BRD zerschlagen und in Teilen durch fragwürdige kapitalgedeckte Versicherungsformen einseitig zulasten der Bürger ersetzt werden.‭
In der Zwischenzeit wissen wir,‭ ‬dass uns die Politikerinnen und Politiker böswillig getäuscht haben,‭ ‬um ihre Gesinnung‭ “‬Privat vor Staat‭” ‬umzusetzen:‭ ‬Finanzen und Spareinlagen der Bürgerinnen und Bürger sind dem Beschiss der Finanz-Hasardeure ausgesetzt.‭
 
Wir wissen zudem,‭ ‬dass die Rentenreform‭ ‬2001‭ ‬unter der massiven Einflussnahme der Lobbyisten der Finanzmärkte zustande kam.‭ ‬Damals standen einige Lebensversicherer am Rande des Abgrunds,‭ ‬und die Mannheimer Versicherung war ja bereits illiquide.‭ ‬Das heißt,‭ ‬man hat dringend nach einer Möglichkeit gesucht,‭ ‬der Versicherungswirtschaft unter die Arme zu greifen.
 
Durch die Regierung mitsamt ihrem qualifizierten politischen Personal im Deutschen Bundestag wurde‭ ‬2001‭ ‬ein schleichender Verlust unserer Renten von‭ ‬20‭ ‬Prozent bis zum Jahr‭ ‬2030‭ ‬bewusst gesetzlich festgeschrieben.
Dieses qualifizierte politische Personal hat die Bevölkerung belogen und uns weisgemacht,‭ ‬die altbewährte Gesetzliche Rentenversicherung‭ (‬GRV‭) ‬sei nicht mehr zu bezahlen und müsse durch kapitalgedeckte Versicherungsformen ergänzt werden.‭ – ‬Als sei das gottgegeben‭![Siehe auch:‭ ‬Florian Blank:‭ ‬Das Rentenniveau in der Diskussion,‭ ‬WSI-Policy Brief Nr.‭ ‬13,‭ ‬August‭ ‬2017‭]
 
Tausende Parteimitglieder und zigtausende Wählerinnen und Wähler sind der SPD davongelaufen,‭ ‬weil sie sich von ihr betrogen fühlen,‭ ‬doch mediale‭ „‬Pawlowsche Hunde‭“ ‬huldigen der SPD.‭ ‬Beispiel:‭ ‬»Die Stärke der Partei war stets ihre unerschütterliche Verbindung zur Realität,‭ ‬aus der sich viele berechtigte Veränderungen und Verbesserungen in der Sozialpolitik ergeben haben.‭«
 
Ich finde den Fanatismus,‭ ‬der selbst noch den größten Schandfleck Deutschlands‭ (‬nichtauskömmliche Renten nach langer Berufstätigkeit‭) ‬für seine systemdevote Agitation instrumentalisiert,‭ ‬zum Kotzen.‭ ‬Das dürfen Sie ruhig wissen,‭ ‬auch wenn sich Bedürftigkeitsprüfung vordergründig ganz plausibel anhört,‭ ‬ist sie in diesem Kontext ein vergiftetes Argument.
 
 
Mit‭ (‬noch‭) ‬freundlichen Grüßen
Jürgen Beineke

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