2023-01-13
Quellmaterial für diese Kritik sind die Castrop-Rauxel-Ausgaben der Ruhr Nachrichten vom 09.01.2022, vom 10.01.2023, vom 11.01.2023 und 13.01.2023:
»Wenn der Verdacht stimmt, hat der Antiterroreinsatz in Castrop-Rauxel womöglich Hunderten Menschen das Leben gerettet. Ein Iraner soll einen schweren Anschlag vorbereitet haben.« – „Wenn der Verdacht stimmt…“!
»Ein 32-jähriger Mann ist bei einem nächtlichen Antiterroreinsatz in Castrop-Rauxel festgenommen worden, weil er sich Gift für einen islamistisch motivierten Anschlag beschafft haben soll.« – „… haben soll“!
»Zumindest bei der Durchsuchung der Wohnung des Iraners in der Nacht zum Sonntag wurden aber die entsprechenden Giftstoffe Cyanid und Rizin nicht gefunden, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mitteilte.« – Auch in zwei durchsuchten Garagen wurden die Ermittler nicht fündig, Waffen waren ebenso nicht gefunden worden!
»Am Sonntagabend hat die Generalstaatsanwaltschaft Haftbefehl gegen ihn und seinen 25-jährigen Bruder beantragt. Beide kamen in Untersuchungshaft.« – Hierbei kann es sich ja wohl nur um Präventivhaft handeln!
»Die deutschen Ermittler waren wegen eines Tipps von Kollegen aus den USA aktiv geworden [..] Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse.« – „Hinweis auf den 32-Jährigen“! Nicht auf den 25-jährigen Bruder!
Doch dann: »Bei dem Einsatz wurde außerdem der Bruder des 32-Jährigen festgenommen, der sich bei dem Zugriff der Polizei auch in der Wohnung aufhielt. Wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, war der Bruder der Polizei zwar zuvor bekannt, allerdings aus Gründen, die nicht mit islamistischem Terror zusammenhängen. Ob er in die mutmaßlichen Anschlagspläne eingeweiht war, steht noch nicht fest.« – Und ob sich der Tipp aus den USA auch auf diesen Mann bezog, wird aus dem Bericht nicht deutlich. Auf jeden Fall wurde er festgenommen – mit gefangen, mit gehangen sozusagen!
Im Bericht von Lydia Heuser jedenfalls ist folgendes zu lesen: »In der Nacht zu Sonntag stürmten Einsatzkräfte eine Wohnung in Habinghorst. Zwei Personen wurden festgenommen. […] Ein Mann steht unter Terrorverdacht. Der 32-jährige Iraner wird verdächtigt, sich Rizin und Cyanid beschafft zu haben.« – „EIN MANN steht unter Terrorverdacht“!
Dann die lapidare Mitteilung: »Giftstoffe habe man nicht finden können. Aber: Es gebe andere Beweismittel.« – Beweismittel welcher Art wird allerdings nicht mitgeteilt. Man hat Speichermedien beschlagnahmt. Aber die müssen erst ausgewertet werden.
»Am Abend dann der Antrag auf Haftbefehl. Gegen die Brüder Monir J. (32) und J. J. (25) werde wegen des Verdachts der Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich einem Mord ermittelt. „Ihnen wird u.a. vorgeworfen, miteinander verabredet zu haben, einen islamistisch motivierten Anschlag zu begehen, indem sie sich Giftstoffe – Cyanid und Rizin – beschaffen wollten, um mit diesen eine unbestimmte Anzahl von Personen zu töten“, teilt Oberstaatsanwalt Heming mit. Drei bis 15 Jahre Gefängnis drohen bei einer Verurteilung. Bis dahin gelte die Unschuldsvermutung.« – „Unschuldsvermutung“: Ein sehr gescheiter Mann!
…
Doch die Versuchung ist zu groß. Zu groß für die Lokalredaktion der Ruhr Nachrichten Castrop-Rauxel. Sie fällt über die Männer her, instrumentalisiert diesen SEK-Einsatz für das Thema islamistischen Terror. Obgleich sie zu den hier infragestehenden Verdächtigungen resp. bisherigen Beweisen keinen substanziellen Beitrag leisten kann, kramt man woanders. Man interessiert sich dafür, »was seine Nachbarn über Monir J. wissen«: »Doch wer ist dieser 32-Jährige, der nachts von einem Spezialeinsatzkommando vermutlich aus dem Schlaf gerissen und abgeführt wurde?« So befragt Lydia Heuser die Nachbarschaft.
Ganz spannend machen es Nora Varga und Tobias Weckenbrock: In epischer Breite berichten sie aus der Vita des Jalal J.. Während Nora Varga die Straftat des jungen Mannes spektakulär verbalisiert – »Ein Terrorverdächtiger ist der Ast-Werfer von Dortmund. […] Einer saß bereits wegen versuchten Mordes in Haft« – berichtet Tobias Weckenbrock am 11.01.20223 ganz ausführlich über die sozialen Anpassungsstörungen des „Beifangs“ Jalal J.: »Jalal J. (25) gab schon 2018 vor, Freiheitskämpfer zu sein.« Ich hoffe, der Autor wurde von Jalal J. zu dieser Berichterstattung im Rahmen dieser Festnahme über ihn autorisiert. Auch Straftäter sind schließlich kein Freiwild.
Ja, er ist der Polizei bekannt, jedoch nicht im Zusammenhang mit islamistischem Terror. Und ob er in die Pläne eingeweiht war, steht auch noch nicht fest.
Dass bei beiden nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt und diese Form der Berichterstattung jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt unangemessen sein könnte und daher übergriffig ist, findet bei Nora Varga überhaupt keine Berücksichtigung. Tobias Weckenbrock weist auf die Unschuldsvermutung erst in seiner Berichterstattung vom 13.01.2023 hin.
Ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, welche „Glanzleistungen“ deutscher Ermittlungsbehörden der Fall Anis Ben Othman Amri zutage gefördert hat.
Nora Varga versteigt sich sogar zu folgender Behauptung: »Von einem dringenden Tatverdacht kann man nur dann sprechen, wenn die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass ein Verdächtiger ein Verbrechen auch wirklich begangen hat. Zumindest bisher liegt im Fall der beiden Brüder J. genau das vor. Ohne dringenden Tatverdacht gibt es auch keine U-Haft.« – Mein Gott: Wie dümmlich!
…
Ob Jalal und Monir J. islamistische Terroristen sind, diese Zertifizierung kann nach deutscher Rechtsordnung nur durch die deutsche Gerichtsbarkeit erfolgen.
Admin - 09:09:52 @