2020-10-22

Kein Geld für Malocher

Tarifrunde ver.di: Heute gehen die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen in die entscheidende Phase. Es geht darum, ob Pflegekräfte, Müllwerker und andere mehr Geld bekommen.

ver.di fordert in der laufenden Tarifrunde Gehaltserhöhungen von 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro monatlich. Außerdem werden die Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 100 Euro sowie Regelungen zur Übernahme von Auszubildenden und Angleichung des Erholungsurlaubes an das Niveau der Beschäftigten gefordert.

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Die Verhandlungen betreffen rund 2,3 Millionen Angestellte und rund 225.000 Beamte: Erzieherinnen, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte, Altenpflegerinnen, Klärwerksmitarbeiter, Förster und Ärzte.

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Das Angebot, das die Arbeitgeber bisher vorgelegt haben, ist in keiner Weise ausreichend. Es lässt sich im Gegenteil als zynische Verhöhnung der Arbeitnehmer verstehen. Geboten wurde eine auf drei Jahre gestreckte Erhöhung um 3,5 Prozent und eine Einmalzahlung. Gleichzeitig soll es künftig die Möglichkeit geben, Mitarbeiter in ihren Lohngruppen herabstufen zu können. Mit anderen Worten: Der Arbeitsdruck soll erhöht werden, der Lohn allerdings faktisch nicht.

Und was sagt der Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA): »Wir sind mit unserem Angebot schon über die Schmerzgrenze gegangen. Die Gewerkschaften sollten das wertschätzen.«

Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mägde, Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), sitzt erstmals für die kommunalen Arbeitgeber am Verhandlungstisch.

Er kalauert hier, die Gewerkschaften hätten „den Ernst der Lage offensichtlich nicht erkannt“!

Keine Scheu vor Konflikten: Das ist der Verhandlungsführer der Kommunen

Tarifrunde öffentlicher Dienst: „Über die Schmerzgrenze”

Hier ein paar Widerworte, orientiert an Ulrich Mädges Interview-Einlassungen, das SZ.de heute veröffentlicht hat.

          »Die Kommunen haben nicht nur Überschüsse erzielt, sondern auch einen Investitionsstau von mehr als 150 Milliarden Euro. Die Gewerkschaften vergessen auch, dass wir 2008 und 2009 eine Finanzkrise hatten. Viele Kommunen sind hoch verschuldet. Die Überschüsse wurden verwendet, um Schulden zu tilgen. Es gibt Städte, denen es gut geht, wie Frankfurt oder München. Aber das sind Ausnahmen.«

Zu diesen Unverschämtheiten, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, müssen Sie sich jetzt meine Gegenrede gefallen lassen.

„Investitionsstau von mehr als 150 Milliarden Euro… Viele Kommunen sind hoch verschuldet.“

Darf ich Sie daran erinnern: das Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn der Jahre 1998 bis 2013 in unterschiedlichen Koalitionen hat den öffentlichen Haushalten ca. 490 Milliarden Euro entzogen, die für deren ordnungsgemäßes Funktionieren nicht mehr zur Verfügung standen/stehen. Davon entfielen auf den Bund 197,67 Milliarden Euro, auf die Länder 236,68 Milliarden Euro und auf die Gemeinden 56,00 Milliarden Euro.
Politisch gewollte, einseitige Steuergeschenke für Arbeitgeber, Industrie und Finanzwirtschaft durch Steuergesetzesänderungen für die Zeit zwischen 1998 und 2013 in Höhe von ca. 490 Milliarden Euro mussten kompensiert werden (Bontrup: Durch Umverteilung von unten nach oben in die Krise, Seiten 15 – 16.).

Darf ich außerdem daran erinnern: Von 1991 bis 2010 wurde lt. Böckler Impuls, Ausgabe 03/2012, die Anzahl der Beschäftigen im Öffentlichen Dienst um 1,6 Millionen abgebaut; das sind über 30 Prozent. Das hat den öffentlichen Haushalten ordentlich geholfen, die Personalkosten zu reduzieren.
Dazu passend die Mitteilung in meiner Tageszeitung vom heutigen Tage: „Jeder Fünfte arbeitet für Niedriglohn.“ Das sind fast 400.000 Niedriglohn-Jobs mehr als vier Jahre zuvor. Was denken Sie, wie viele davon in outgesourcten Betrieben der öffentlichen Hand?

„Die Gewerkschaften vergessen auch, dass wir 2008 und 2009 eine Finanzkrise hatten.“

Diesen Kalauer, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, halte ich für eine verdammte Unverschämtheit.

Die „Finanzkrise“, wie Sie sich ausdrücken, war das Ergebnis eines 15 Jahre langen grandios/kriminellen Geschäftsgebarens der Kapitalwirtschaft unter den Augen von euch Politikern. Mit der niedlichen Leman-Pleite wurde uns die Rechnung der 50-Billionen-US-Dollar-Sause gelegt. Der erlesene Bankster-Club hatte die Volkswirtschaften um 50 Billionen US-Dollar geschädigt und Derivate in Höhe von 700 Billionen US-Dollar hinterlassen.
Zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2007 hatten unter den Augen der Politiker Wall-Street-Banker Unmengen toxischer Quasi-Geld-Derivate zusammengeschustert und es geschafft, dass deren Marktpreise stark anstiegen. Auch die Banker in Frankfurt am Main waren scharf darauf, diese “lukrativen” Derivate zu kaufen. Sie taten das mit Dollars, die sie sich dafür ausliehen, und zwar von der Wall Street.

Und wie habt ihr Politiker reagiert?

Statt die Bankeninhaber mit ihrem Privat- und Geschäftsvermögen für die kriminellen Handlungen (vulgo: Beschiss) ihres Personals zum Schadensersatz heranzuziehen, habt ihr euch eurerseits Betrugsinstrumente einfallen lassen, mit denen ihr den Verbrechern auch noch Staatsvermögen und Privatvermögen ab 100.001 EURO in den Hintern schiebt, habt für sie Kredite aufgenommen, Bad Bank, Bail-in, Bail-out erfunden und den Bevölkerungen aufs Auge gedrückt – unter allgemeinem Beifall auch von Medien, die eben genau diese Bürgerinnen und Bürger an das Gemeinwohl erinnern, wenn es um deren Löhne geht.

Die monetären Machthaber gieren nach Geld, sind auch bei dieser Pandemie wieder reicher geworden, ABER DER KLEINE MANN MUSS SICH VORHALTEN LASSEN, SEINE BESCHEIDENE LOHNFORDERUNG SEI UNANSTÄNDIG – Wie unanständig ist das denn?

Wissen Sie immer noch nicht, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, warum Ihnen die Wählerinnen und Wähler in Heerscharen davonlaufen?

Mit eher unfreundlichen Grüßen von einem zornigen Bürger!
Jürgen Beineke

P.S.: Sie können diese Stellungnahme ab sofort im Internet nachlesen: Hier und hier.

Update:

25.10.2020
Tarifeinigung im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen: Deutliche Anhebung für untere Einkommen und Gesundheitsberufe

Die Laufzeit des Tarifvertrags ist insgesamt auf 28 Monate festgelegt. Das ist weniger als die von den Unternehmern geforderten 36 Monate, insbesondere aber der Umstand, dass die Einigung erst ab April 2021 in Kraft tritt, entlarvt die Schmusegesinnung der Gewerkschaft, die sie hinter dem Terminus „Sozialpartnerschaft“ versteckt: »Die ersten sieben Monate sind als Leermonate vereinbart«, teilte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände mit.

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